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DIE FILIALKIRCHE ST. ÄGIDIUS IN UNTERWATTENBACH

Aus: Kunstdenkmäler von Niederbayern

Sie ist dem Hl. Ägidius geweiht, dem Nothelfer der Waldbauern und Jäger.
Spätgotischer Bau aus der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert mit romanischem Langhaus. Baureparaturen sind nachgewiesen in den Jahren 1750 und 1800. Chor nicht eingezogen, mit zwei Jochen und Schluss in drei Seiten des Achtecks. Die Sakristei befindet sich südlich am Chor im Untergeschoß des Turmes.

Westlich am Langhaus eine moderne Vorhalle. Im Chor netzförmig figuriertes Rippengewölbe auf rechteckigen, gefassten Wandpfeilern und ebensolchen, spitzen Schildbögen. Halbe Achteckskonsolen mit konkav eingezogenen Seiten, teilweise mit Köpfchen, teilweise mit Laubwerk und vorgelegten Tartschen, nehmen die Rippen auf. Runde Schlusssteine. Im Turmuntergeschoß gefasste Eckpfeiler, entsprechende spitze Schildbögen und Rippenkreuzgewölbe mit rundem Schlussstein. Rippen birnstabförmig, auf einfachen, dreiseitigen Spitzkonsolen. Chorbogen spitz, mit abgeschrägten Kanten, im Boden beiderseits gekehlt. Langhaus flachgedeckt. Fenster spitzbogig, die des Langhauses modern. Auf der Südseite des Langhauses ehemaliger Rundbogeneingang und Rundbogenfensterchen vermauert. Der Zugang vom Chor zur Sakristei stichbogig, mit Fase, innerhalb eines spitzen, gefassten Blindbogens. Außen am Chor schwache Dreieckslisenen und Dachfries.

Das Langhaus hat stärkere Mauern und keinen Sockel. Der Bau ist unverputzt. Backsteinmaße: Im Chor 33x16x7 cm, im Langhaus 30-32x15x6.5-7 cm; an letzterem finden sich auch Steine von 42 cm Länge. Turm mit dreigeschossigem, von Spitzbogenblenden belebtem, quadratischem Unterbau, achtseitigem Oberbau und modernem Spitzhelm über vier Giebeln. Hochaltar: Stattlicher barocker Aufbau von 1729 mit vier gedrehten Säulen.

Das Altarblatt, die Glorie des hl. Agidius darstellend, wurde ebenso wie das Bild im oberen Auszug von Georg Franz Fischer, Maler in Landshut 1730 gemalt. Die Seitenfiguren St. Christophorus und Augustinus unter Voluten. Antependium mit Akanthusschnitzwerk. Seitenaltäre modern gotisch. Die Kanzel stammt aus der Zeit um 1750 und zeigt entwickeltes Muschelwerkrokoko.

Gute spätgotische bemalte Holzfiguren aus der Zeit um 1500 im Chor: Nördlich St. Urban und St. Ägidius, südlich St. Christophorus und St. Stephan.
Die Seitenaltäre und die Kanzel sind nicht mehr vorhanden.

Etwas Geschichte

Die Kirche hat mehrere Bauzeiten: Das Langhaus dürfte noch romanischen Ursprungs sein mit jeweils nur einem Süd- und Nordfenster; an dieses wurde nur wenig schmäler der spätgotische Chorbau angesetzt mit leichten Spitzstrebepfeilern außen und einem Fries, der derzeit gekalkt ist, wahrscheinlich aber ursprünglich geschlemmt war und einen bemalten Ornamentfries getragen hat. Der Kirchturm ist in seinem Unterbau bis zu den Klangarkaden, in der typischen Landshuter Spätgotikbauweise errichtet, ebenfalls wie die Kirche als Blankziegelbau; über den Klangarkaden führt eine Eckverjüngung in den Achtecksquerschnitt und von dort aus über vier Giebel der hohe Helm im Stil der Neugotik des 19. Jahrhunderts.

Gleichzeitig dürfte auch das satteldachgedeckte Vorhaus im Westen angesetzt worden sein. Im Inneren ist ein Barockumbau erfolgt, so dass die einst flache Holzbalkendecke nun eine weiße verputzte Flachdecke ist. Hinter dem leicht eingezogenen Chorbogen erschließt sich der spätgotische, mit Kreuzrippengewölbe überdeckte Chorraum zu zwei Jochen und zu einem dreiseitigen Raumabschluss, wieder Hinweis auf die Dreifaltigkeit. Als Kragfiguren sind zum Teil Köpfe, zum Teil Wappenschilde zu sehen, die Schlusssteine sind rund, der vorderste ist wie üblich genau über dem Altar, wo der Priester die Wandlungsworte spricht. Im romanischen Langhaus befinden sich zwei freigelegte Wandgemälde, das eine als ein Stifterbild datiert 1585. An der Nordwand sieht man die Kreuzigung Christi.

Eine Besonderheit ist bei den beiden Schächern zu sehen: Seitlich von deren Haupt schwebt ein kleines Kind, altes Zeichen für die Seele, die im Tod den Körper verlässt. An der Südseite ist ein Martyrium zu vermuten, in der Mitte ein verblasstes Wappen und unten eine Darstellung des Stifters, seiner verstorbenen Frauen und Kinder. Lesbar sind von dem Stifternamen nur noch die letzten vier Buchstaben „...pach". Über der südlichen Sakristeitür ist ein weiteres Stifterfresko in seinen Restbeständen noch halb freigelegt worden.

Den Haupteindruck schafft jedoch der prächtige barocke Hochaltar aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit dem Mittelbild des Kirchenpatrons St. Ägidius, eines Benediktinermönches, der von zwei Engeln in den Himmel aufgeleitet wird:

Das Bild von 1730 stammt vom Maler Georg Franz Fischer (geb. in Braunau, gest. um 1750); im Oberbild des Auszuges ist der hl. Abt Ägidius vor der Muttergottes mit dem Kinde zu sehen. Die Seitenfiguren sind links der hl. Christophorus, rechts der hl. Augustinus mit dem flammenden Herzen. Sehr wertvolle Figuren aus der Gotik sind noch erhalten: Das Chorbogenkreuz, in vereinfachten Formen der Landshuter Schnitzschule, der hl. Papst Urban mit der großen Weintraube, der hl. Ägidius und als Gegenstück ein Heiliger mit einer Kappe. Aus der Barockzeit stammen die Figuren des hl. Christophorus an einem Wandpfeiler, des im Grabe liegenden Christus und eines Vortragekreuzes. Ein sehr schönes Mariahilf-Bild ist am rechten Chorbogeneinzug aus der Barockzeit zu sehen. Der Kreuzweg ist neuere kunstgewerbliche Arbeit mit Goldhintergrund.

Im rückwärtigen Teil der in der Barockzeit eingebauten Empore ist noch verschlemmtes romanisches Mauerwerk zu finden. Ebenso stammt von der barocken Umgestaltung der Fußboden mit Solnhofener Kalkplatten. 1979 wurde der einfache Volksaltar aus Holz eingestellt, die letzten Innenrenovierungen waren 1983. Dabei wurden auch die Wandmalereien freigelegt. 2008/09 wurde eine Außeninstandsetzung durchgeführt. Die Kirche stellt in ihrem Mauerwerk des romanischen Langhauses eine der ältesten Bausubstanzen der Pfarrei dar und hat mit dem schönen gewölbten Chor und dem prächtigen Hochaltar in späterer Zeit eine Steigerung erfahren.

Die Orgel wurde 1989 von der Münchener Werkstätte W R. K. Orgelbau in neuem, leicht barockisierendem Gehäuse errichtet und hat die Disposition: Manual C-g3: Prinzipal 8', Rohrflöte 8', Salicional 8', Oktave 4', Spitzflöte 4', Waldflöte 2', Mixtur 1' 3-4-fach, im Pedal: C-f1, Subbaß 16', Gedackt Baß 8'.


Erweiterungen und Umbauten

1585neugotisch umgestaltet.
1840 Anschaffung einer Orgel für 212 Gulden vom Landshuter Orgelbauer Ludwig Erlich
1897 wurde das Satteldach des Turmes durch eine pyramidenförmige Spitze ersetzt. Anbau für Eingang.
1897 Kauf von drei neuen Glocken (A, Cis, E; 6,5 + 3,5 + 2 Ztr. vom Landshuter Meister Johann Hahn (1740 M) Anstelle der beiden alten Glocken (G,D)
1900 Anlage eines Friedhofes um die Kirche.
1924 30. Dezember Kauf von 2 Bronzeglocken, Gesamtgewicht 322 kg, Preis 1138,10 M lt. Rechnung Gießerei Gugg Straubing. Keine Angabe der Klangfarben.
1943 Dacherneuerung
194612. Dezember: Stromanschluss ÜZW 412,10 M
1947 14. November: Kauf von 2 Bronzeglocken mit Zubehör von der Gießerei Hahn, Landshut. Preis 1238,50 M
1948 18. März: Kauf einer Bronzeglocke (Des) Preis 576,60 M 180 kg lt. Lieferschein Gießerei Hahn Landshut v. 20.02.48
195128. Juli: Kauf eines neuen Harmoniums um 385,00 DM.
1957 Erneuerung der Friedhofmauer beim Kirchgassl von Kiendl
1958 bis zum Wimmer. Friedhoftürl in Eigenleistung.
1963 Verkauf der Ludwig Ehrlich Orgel um 200,00 DM.
1965Entfernung der neugotischen Seitenaltäre und Verkauf der beiden Altarbilder. Entfernung der Rokokokanzel von 1750.
1966 Anschaffung neuer Kirchenbänke um 2599,00 DM. Gefertigt von der Schreinerei Kiermeier Unterwattenbach.
1968 Leichenhausbau mit Friedhoferweiterung.
1979 Einbau einer elektrischen Turmuhr statt der alten mechanischen Uhr.(alte mechanische Uhr liegt bei der Gemeinde)
 Renovierungsarbeiten in den letzten Jahren:
1983 -1984 Bauabschnitt I (): Kosten: 140 000 DM Innenrenovierung:
  • Abschlagen des Putzes und Neuanbringung
  • Verputz zur Austrocknung der Mauern
  • Elektroinstallationen
  • Lautsprecheranlage
  • Restaurierung des Hochaltares
  • Neuvergoldungen
  • Freilegung und Neufassung aller Figuren
  • Einbau einer Alarmanlage
  • Freilegung der Wandfresken (Jahreszahl 1585 wurde freigelegt); bei diesen Freilegungsarbeiten zeigte sich, dass die ganze Kirche ausgemalt war mit Blatt- und Obstdarstellungen; offen gelassen wurden eine spätgotische Kreuzigung und ein noch nicht genau erklärbares Bild auf der rechten Seite des Langhauses sowie Stifterbilder über dem Sakristeieingang; die Kirche muss in ihrer gotischen Fassung einmal wunderbar gewesen sein.
1986 Bauabschnitt II (): Kosten: 57 000 DM
  • Renovierung der Turmspitze
  • Neueindeckung mit Kupferblech (vorher Schieferdach)
  • Reparaturen am Gebälk
  • Kreuz und Kugel am Turm mit Sturmblattgold
1989 Bauabschnitt III (): Kosten: 107 000 DM
Einbau einer neue Orgel (Schleifladenorgel mit 9 Registern). Die Einweihung erfolgte anlässlich des Patroziniums St. Agidius im September 1989
2008 Dachreparatur geplant
2009 Kirchturmreparatur geplant

Quelle: Band II, Kunstdenkmäler von Niederbayern, Bezirksamt Landshut, München 1914


Die "Unterwattenbacherin"

Sie gab lange Zeit keinen Laut von sich.

Eine sehr umfangreiche Restaurierung machte es möglich, dass die alte Orgel mit frischem Klang sogar auf einer Schallplatte zu hören ist. Geschaffen wurde sie vom berühmten Landshuter Orgelbauer Ludwig Ehrlich im Jahre 1841 für 212 Gulden. Für das Fassen und den Verschlag erhielt der Maler Georg Jorhan von Landshut 17 Gulden und 36 Kreuzer.

Nach über 100 Jahren im Dienste der Liturgiefeier traten erhebliche Schäden auf, so dass dem Organisten, einem Lehrer die Lust zum Orgelspielen verleidet wurde, weil er mit dem "deutschen" Pedal nicht zu recht kam. Sein Geduldsfaden riss und, und auch er riss gleich die Klaviatur aus gesundem, hellen Birnbaumholz liebevoll gefertigt aus dem Orgelgehäuse heraus und warf sie in das Orgelinnere. Die Orgel war unbespielbar und er erhielt sein Harmonium.

Die Orgel wurde 1963 um 200 DM verkauft, kam in Privatbesitz, wurde dort nicht sehr sachverständig restauriert, konserviert, renoviert, repariert und das Gebläse elektrifiziert. Die fehlenden Ranken am Schnitzwerk wurden von Walter Stobbe ergänzt. Durch das Entgegenkommen des Vereins der Förderer fand sie im Herzogsschlössl im Landshuter Hofgarten eine vorübergehende Bleibe.

Um 1980 erwarb sie die Pfarrgemeinde Niederalteich zur Bespielung der Gottesdienste in der Oberkirche während der großen Renovierung der Basilika. Leider hat der Zahn der Zeit und die unsachgemäße Restaurierung der Orgel erheblich zugesetzt. Der eingebaute "Windregler" aus neuerer Zeit sorgte für viel zu starken Wind, so dass die Orgel "schrie".

In einer zweiten Renovierung wurde dies behoben, so dass, obwohl in der Romantik entstanden ihr Klang noch ganz dem Ideal des Barock und der Klassik entspricht.

In der Oberkirche der päpstlichen Basilika Niederalteich hat unsere ehemalige Orgel einen ihr würdiger Standplatz gefunden. Zusammen mit den Orgeln von Sossau, Sammarei, Asbach, Altdorf bei Landshut, Weltenburg und Vornbach am Inn hat sie Heinz Schnauffer auf der Platte "Historische Orgeln Niederbayerns" der Öffentlichkeit vorgestellt.

Die Platte wurde vom Christopherus Verlag in Freiburg im Breisgau vertrieben und ist wahrscheinlich vergriffen.

Quellen: Landshuter Zeitung v. 30.07.1983, Kloster Niederalteich (Dank sei auch Hr. Maily).



Der Kreuzweg